Gebetsverbot an Berliner Schule
Die Freiheit von Religion
Ein Kommentar von Stefan Kuzmany
Pause ohne Gott: Darf Yunus beten?
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Der junge Muslim Yunus M. darf an seiner Schule nicht demonstrativ gen Mekka beten. Eine richtige Entscheidung, auch wenn sie nur den Einzelfall betrifft. Tatsächlich sollte an keiner staatlichen Schule gebetet werden - egal zu welchem Gott.
Religion kann eine Quelle großer Kraft sein, das wird niemand bestreiten wollen, der schon einmal in die glänzenden Augen eines Gläubigen geblickt hat. Allerdings, und das ist das Problem, hat sich das jeweils verehrte höhere Wesen offenbar nicht festgelegt, ob aus dieser Kraft Gutes oder Schlechtes folgt.
Im Namen der Religion wird Kultur geschaffen, werden barmherzige Werke getan, finden Millionen von Menschen einen Sinn im immer unübersichtlicheren Alltag, einen Halt in der allgemeinen Haltlosigkeit. Im Namen der Religion werden aber auch Kriege angezettelt, es werden Attentate begangen, oder, viel alltäglicher, sie wird als ganz weltliches Druckmittel eingesetzt, um gottesfürchtigen Menschen Angst zu machen, um sie gefügig zu machen.
Schwierig wird es immer, wenn unterschiedliche Religionen auf engem Raum aufeinander treffen, nicht nur im Nahen Osten, sondern auch mitten in Deutschland, zum Beispiel am Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding, wo der junge Muslim Yunus M. für sein Recht kämpfte, auf dem Schulgelände gen Mekka zu beten, wie es seine Pflicht als Gläubiger ist.
Demonstrative Gebete dienen nicht dem Schulfrieden
Leider haben insbesondere die Vertreter der drei abrahamitischen Religionen wenig aus Lessings "Ringparabel" gelernt, die besagt, dass jene die beste Religion sein soll, die sich bei den anderen beiden durch besonders gute Werke so beliebt macht, dass sie von diesen aus freien Stücken anerkannt wird. Ein schöner Gedanke. In der Realität halten sich Judentum, Christentum und Islam für alleinseligmachend, nicht nur in Konkurrenz zueinander: Auch intern sind ihre Linien und Konfessionen oftmals mehr oder weniger heillos - oder sogar blutig - zerstritten. Und wer beispielsweise glaubt, dass sich Hindus und Buddhisten stets in innerem Frieden gegenseitig und untereinander zugeneigt wären, hat sich nie mit deren Geschichte und Gegenwart auseinandergesetzt.
Am Diesterweg-Gymnasium sind, so sagt es die Schulleiterin, fünf Weltreligionen vertreten. Wenn die Angehörigen der einen beten dürfen, für ihre Religionsausübung sogar einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt bekommen, dann ließe sich schwer gegen ähnliche Ansprüche der anderen argumentieren. Und was ist mit jenen Schülerinnen und Schülern, die mit Religion wenig am Hut haben?
Demonstrative Gebete, egal welcher Glaubensrichtung, dienen nicht dem Schulfrieden. Sie teilen die Schulfamilie in Glaubensrichtungen auf, in Gruppen von Zugehörigen und Ungläubigen, in ein ungutes "Wir" und "Ihr".
Kein Urteil gegen den Islam
Konsequent in diesem Sinne wäre es, auch den glaubensgemeinschaftlich gebundenen Religionsunterricht an den deutschen Schulen einzustellen. Unterricht über Religionen ist sinnvoll und notwendig, weil sie ein weltumspannendes Phänomen sind, über das junge Menschen aufgeklärt werden sollten. Aber eben besser nicht aus der Perspektive einer einzelnen Religion - das ist das Gegenteil von Aufklärung.
In dem Moment, in dem sich auch nur eine Person durch die Glaubensbekundungen der anderen gestört fühlt, sind diese Bekundungen in staatlichen Einrichtungen zu untersagen. Denn der Staat gewährt zwar Religionsfreiheit, aber eben auch in der negativen Variante der Freiheit von Religion. Deshalb war es richtig, als das Bundesverfassungsgericht 1995 in seinem "Kruzifix-Urteil" die Vorschrift zur Anbringung von Kreuzen in bayerischen Klassenzimmern verwarf. Und deshalb ist es jetzt richtig, dass das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, die Schule sei nicht dazu verpflichtet, Yunus M. das Gebet in der Schule zu erlauben. Das ist kein Urteil gegen den Islam. Es ist ein Urteil für die sinnvolle Trennung von Staat und Religion.