Gönderen Konu: Warum Ingenieure aus der Türkei hier Taxi fahren  (Okunma sayýsý 3567 defa)

0 Üye ve 1 Ziyaretçi konuyu incelemekte.

selcuklu

  • Ziyaretçi
Warum Ingenieure aus der Türkei hier Taxi fahren
« : 25 Eylül 2011, 19:44:53 »

Warum Ingenieure aus der Türkei hier Taxi fahren

Trotz Fachkräftemangel müssen hochqualifizierte Ingenieure aus Indien oder der Türkei in Deutschland putzen oder Taxi fahren. Grund: Ihre Abschlüsse werden nicht anerkannt.

Diana Rudnitskaya hat einen Ingenieursabschluss aus St. Petersburg, spricht Deutsch, Russisch und Englisch und hat kaufmännisches Know-how. Eine Traumbewerberin. Doch die 42-Jährige lässt sich umschulen – zur Tagesmutter. Denn ihr Abschluss wird hier nicht anerkannt. „Das klingt vielleicht komisch“, sagt sie, „aber ich möchte dem Land kein Ballast sein.“
 Ob Maschinenbau oder Biologie: Die Annerkennung von ausländischen Abschlüssen ist in Deutschland schwer

Eine weibliche Ingenieurin als Ballast? In Deutschland ist das offenbar häufig: Türkische Lehrerinnen arbeiten als Putzhilfen, indische Ingenieure fahren Taxi, anstatt Motoren zu bauen. Den Schätzungen des Mikrozensus vom Statistischen Bundesamt zufolge haben rund 918.000 der in Deutschland lebenden Migranten in ihrer Heimat studiert. Sie kommen meist aus der ehemaligen Sowjetunion, Iran, Irak und Afghanistan.

Diplome werden ohne Prüfung sofort abgelehnt

Das Problem ist: Die meisten Migranten können ihre Abschlüsse nicht auf Anerkennung prüfen lassen. Wenn sie keine EU-Bürger oder Spätaussiedler sind, werden ihre Diplome ohne Prüfung sofort abgelehnt. Sie müssen dann unter ihrer Qualifikation arbeiten oder sich arbeitslos melden. So entgehen der Bundesrepublik jährlich geschätzte 1,8 Milliarden Euro Steuern und Sozialbeiträge.
Video
Wintersemester an Frankfurter Uni gestartet


Deutschland ist für Wissenschaftler unattraktiv

Das soll sich nun ändern. Ende kommender Woche wird im Bundestag über ein Gesetz abgestimmt, das die Anerkennung von Diplomen aus dem Ausland erleichtern soll. Das „Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz“ (BQFG) soll allen Migranten ein Verfahren auf Anerkennung garantieren. Schließlich fehlten in Deutschland die sogenannten MINT-Berufe (für „Mathematik, Ingenieur-, Naturwissenschaften und Technik“), heißt es aus dem Bildungsministerium.

Experten kritisieren, dass das BQFG den Mangelberufen nichts nützen wird. Denn es betrifft nur Berufe, die auf Bundesebene anerkannt werden. Lehrer und Erzieher gehören nicht dazu. Dabei fehlen 45.000 Pädagogen. Bis 2013 werden 25.000 Erzieherstellen unbesetzt sein.

„Am Anfang klang das Gesetz ganz gut“, sagt Hermann Nehls vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), „doch leider werden zu wenige Menschen von ihm profitieren. Akademiker gehören leider nicht dazu.“


Werbung für mehr Einwanderung

    Foto: Dorten GmbH Deutschland braucht qualifizierte Zuwanderer: Doch wie können wir Menschen in aller Welt motivieren, zu uns zu kommen? Die "Welt am Sonntag" hat fünf führende Werbeagenturen gebeten, Plakate zu entwerfen, die ausländische Fachkräfte von der Attraktivität Germanys überzeugen sollen. Auch die Kreativen der Agentur Dorten haben sich Gedanken gemacht.

Das BQFG konzentriert sich auf 350 Ausbildungsberufe wie Bäcker, Kaufmänner oder Krankenpfleger. Physiker, Ingenieure, Informatiker – 154.000 Absolventen der technischen Fächer fehlen bereits – werden vom BQFG nicht berührt. „Das Gesetz sollte anfangs die Uniabschlüsse mit einschließen“, sagt Nehls, „doch das wurde zu kompliziert und die akademischen Berufe wurden fast alle ausgekoppelt.“

49 Stellen zur Beurteilung von Ingenieuren

Wie komplex die Anerkennung ist, zeigt die Zahl der verschiedenen Prüfungsstellen. Über 600 Behörden, Ämter und Kammern beurteilen die Diplome aus dem Ausland. Allein für Ingenieure gibt es bundesweit 49 Stellen. „Je nach Bundesland gibt es verschiedene Regeln und Zuständigkeiten. Oft wissen die Stellen selbst nicht, was sie anerkennen und was nicht“, sagt Matthias Knuth vom Institut für Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen. „Als Migrant wird man hin- und hergeschoben.“

Beim Bildungsministerium heißt es, dass sich die einzelnen Länder für einheitliche und unbürokratische Regelungen ausgesprochen haben. „Ich glaube aber nicht, dass sich die 16 Länder je einigen werden“, sagt Knuth. „Man brauchte dafür 16 neue Landesgesetze.“


So können Arbeitgeber von Zuwanderern profitieren

Auch Sybille von Obernwitz vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag ist skeptisch. „Um jetzt etwas direkt zu werden: Es ist dringend nötig, dass es sehr bald eine Idee gibt, wie sich die Länder organisieren können.“

Um eine bessere Koordination zwischen Stellen und Ländern soll sich laut Gesetz das bundesweite Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) kümmern. Doch wer genau beraten, anerkennen und nachqualifizieren soll, bleibt im Gesetz weiter unklar. Ein Mitarbeiter des IQ-Netzwerks beklagt, dass die zuständigen Stellen nicht gut kommunizieren. Man wisse nicht so recht, wofür man zuständig sei.

„Grundsätzlich finden wir es gut, dass die Regierung versucht, die Anerkennung zu regeln“, sagt Hermann Nehls vom DGB. „Es kann nur nicht sein, dass vorher geplante Punkte wie Beratung und Weiterqualifizierung jetzt völlig unterbelichtet sind.“

 

Tipps für das Bewerbungsgespräch

Wappnen Sie sich gegen schwierige Fragen im Bewerbungsgespräch, indem Sie sich überlegen, welche möglichen Schwachpunkte und Lücken Ihre Biographie haben könnte und legen Sie sich dafür entsprechende Antworten parat.

So dürfen jetzt immerhin Ärzte unabhängig von ihrer Herkunft ihre Zeugnisse prüfen lassen. Allerdings haben sie keinen Anspruch auf eine Nachqualifizierung, wenn ihnen bestimmte Zeugnisse fehlen. Sie müssen dann eine Prüfung ablegen, und wenn sie die nicht bestehen, bleibt ihnen nur noch die Arbeit unter ihrer Qualifikation. Die Bundesregierung will so Patienten vor unqualifizierten Ärzten schützen.

„Die Regierung tut so, als würde sie helfen“, sagt der Integrationssprecher der Grünen Memet Kilic. „Aber eigentlich werden hier nur Ärzte als Alten- und Krankenpfleger missbraucht.“ Kilic hat sein Juraexamen in Ankara absolviert. Bis heute ist es nicht vollständig anerkannt worden.

Ein Politiker, der selbst am Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist, bezweifelt sogar Bedarf und wirtschaftliche Relevant des BQFG. Es habe im Grunde nur integrationspolitische Gründe, sei eher von symbolischem Wert. Zwar erzähle jeder die Geschichte vom indischen Taxifahrer, der eigentlich Ingenieur ist. Aber keiner kenne wirklich einen.

   

Migranten in Deutschland

    Foto: Infografik WELT ONLINE Die meisten in Deutschland lebenden Ausländer sind Türken. Außerdem leben hier besonders viele Italiener, Polen und Griechen. Viele Deutsche zieht es in die beiden Nachbarländer Schweiz und Österreich sowie nach Spanien

„Es gibt einen riesigen Bedarf für das Gesetz!“, erwidert Bettina Englmann von der Organisation Global Competences. Sie untersucht die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen.

„Wir wissen, dass in Deutschland 2,8 Millionen Menschen leben, die im Ausland ihre Qualifikation erworben haben. Doch nur bei 15 Prozent von ihnen sind die Abschlüsse auch anerkannt. Wir müssen an unserer Willkommenskultur arbeiten.“

Das findet auch Diana Rudnitskaya. Als sie vor drei Jahren nach Deutschland kam, war auch sie von der deutschen Anerkennungspraxis überrascht. „Ich kenne viele Frauen, die ihr Leben lang berufstätig waren, hier aber keine Anerkennung und keine Arbeit bekommen. Ich finde das sehr, sehr schade.“